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BeitragVerfasst am: Di 23 Apr, 2013 09:17 Antworten mit ZitatNach oben

Es begann alles mit einer Batterie, einigen Froschschenkeln und zwei Büroklammern.
Die ersten Versuche, tote Körperteile mittels Strom zu neuem Leben zu erwecken waren vielversprechend. Natürlich bin ich nicht so unverschämt, zu behaupten, ich hätte das erfunden. Doch im Gegensatz zu anderen, bin ich neue Wege gegangen und habe mich tief in die Materie reingedacht.

Wer sich mit der Erschaffung von Leben aus totem Material beschäftigt, wandelt an den Grenzen des machbaren – vielleicht sogar an den Grenzen des denkbaren. Vor allem ist es eine Sache, die im Verborgenen stattfinden muss, denn nicht nur das Mach- und Denkbare hat seine Grenzen, auch die Legalität hat die ihren.
Gibt es Mitwisser, kann man sich nie darauf verlassen, dass die auch wirklich dauerhaft schweigen – es sei denn, sie werden rechtzeitig zum Schweigen gebracht. Das Metier ist schwierig und es gibt keinen Platz für Skrupel oder Animositäten. Der eine oder andere Wicht hat schon Teile für Versuche und Prototypen spenden dürfen. So haben auch sie ihren Anteil an meinem Erfolg.

Trotzdem ging meine Forschung über Jahre hinweg nur im Schneckentempo voran. Das liegt daran, weil ich in der Dunkelheit forsche.
Dann, wenn andere schlafen, erwacht meine Neugierde. Dann erst werde ich wach und kann mich meinem Herzfinster zuwenden.
Tobt und schwelt die Nacht durch die Straßen, stehe ich in meinem Labor – im Keller der Birkenhainstraße 8, umgeben von den Teilen und Apparaten, die unerlässlich für meine Arbeit sind.

Dieser Teil der Forschung ist verrufen und berüchtigt, nur wer dickfellig genug ist, um sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen, kann hier bestehen.
Es gibt auch nur wenige von uns und die wenigsten sind wirklich erfolgreich. Vielleicht liegt es am Ordnungswahn der Verwaltung – alles muss dokumentiert werden, alles erfasst, protokolliert und berichtet werden.
Dazu gibt es Vordrucke mit Durchschlägen und sehr enge Zeitfenster. Der Aufwand, den wir treiben müssen, ist immens.

Wobei ich an dieser Stelle zugeben muss, dass ich mich einen Dreck darum schere! Natürlich gebe ich auch mal Berichte ab – aber da steht nicht geschrieben, was wirklich geschehen ist. Die Ergebnisse meiner Arbeit behalte ich für mich. Zu viel Wissen wird ausspioniert, geklaut, und von durchtriebenen Übeltätern gewinnbringend verkauft. Vielleicht sitzen die wahren Diebe auch in der Verwaltung – sie warten nur darauf, die Früchte der Arbeit, die andere machten, zu ernten.

Mein erster wirklich schöner Erfolg war eine Art Hund. Ich habe verschiedene Teile von Hunden der Umgebung, etwas von polnischen Wölfen und auch - verraten Sie es nicht weiter! – einige Teile von Katzen zu einem harmonischen Wesen zusammengefügt.
Eine schmusige Haustiermischung, etwa hüfthoch, anhänglich und freundlich im Wesen.
Nun hatte ich auch endlich eine Lösung für die Entsorgung der Reste, die keine Verwendung finden konnten.
Leider begannen die wölfischen Anteile irgendwann überhand zu nehmen.
Eines Abends sprang mein bis dahin treuer Begleiter aus der Tür und verschwand in Richtung des Tannenwaldes, von wo ich noch lange Zeit nächtens das mir so vertraute Heulen hören konnte.

Einige Prototypen später waren meine Fähigkeiten soweit gereift, einen wirklichen Menschen zu erschaffen.
Diesmal achtete ich auf gute Ware. Wählte Menschen, denen nichts Böses nachzuweisen war. Ich wollte nicht den Fehler machen und eine Kreatur erschaffen, wie Dr. Frankenstein, ein kriegstreibendes Ungetüm, bar jeglicher humanen Empfindung und voll Hass auf seinen Schöpfer.
Ich hoffte, ich plante einen Menschen, dem ich auf Augenhöhe begegnen konnte, intellektuell, emotional, menschlich. Tatsächlich ein Wesen wie Sie und ich – kein plumpes Monstrum, dass grobmotorisch von einem Hindernis zum nächsten schwankt.

In einer dunklen Nacht war es soweit – alles war sauber vernäht und verbunden, der Körper vorsichtig auf Temperatur gebracht und der Defibrillator stand bereit.
Natürlich musste dies alles passieren, während Sturm und Gewitter über dem Hause brausten- nicht dass es notwendig gewesen wäre – aber ein wenig Romantik gehört auch dazu.

Schließlich war es soweit, meine eigens installierte Standuhr mit dem tiefen Glockenton schlug zwölf Mal und als der letzte Ton verklang, legte ich los.
Ein Stromstoß!
Ein zweiter Stromstoß!
Das fremde Herz in der fremden Brust begann in seinem neuen Rhythmus zu schlagen.
Gunther schlug die Augen auf.
Die Arbeit von Jahrzenten fand in ihm die Erfüllung.
Vergessen alle Rückschläge, abgehakt alle Misserfolge.

Vor mir lag ein neuer Mensch. Ein Mensch ohne Vergangenheit aber mit einer großen Zukunft!
Es war wunderbar. Meine Methode die Organabstoßung zu verhindern funktionierte gut. Alle Wunden heilten und Gunther konnte sich bald ohne Schmerzen bewegen.
Wir verbrachten viele Nächte mit Gesprächen über das Leben und den Sinn des Seins und Vergehens.
Genossen die Spaziergänge durch die Natur und planten die Zukunft dieser Welt.
Gunther sollte nur der Anfang sein.
Der Anfang einer besseren Welt, der Anfang von einer besseren Menschheit.

Es fehlte mir nur an Material – soviel, wie ich brauchte, konnte ich nicht unter der Hand beschaffen, aber nun war mein Plan gereift und ich erwartete tausende von Freiwilligen.

Gunther sollte als Strohmann im Rampenlicht stehen und Ausstellungen mit plastinierten Toten organisieren. Das Verfahren des Plastinierens habe ich entwickelt und für Anschauungsobjekte oft verwendet.
Es gibt genügend Menschen, die sich gerne für so was zur Verfügung stellen wollen.
Und dann habe ich freie Auswahl.
Minderwertiges Material geht in die Ausstellung, gutes Material wird wiederverwertet.

Was soll ich sagen – die Welt hat auf uns gewartet.
Wir haben sie verändert!

_________________
Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben;
man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.
Karl Kraus
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